Er springt durch die Coaching-Zone, gestikuliert, fuchtelt mit den Armen, formt die Hände zu einem Trichter und ruft Anweisungen auf das Feld. Domenico Tedesco, Schalkes neuer Hoffnungsträger, fand beim Bundesliga-Auftakt gegen Vizemeister RB Leipzig die richtigen Worte. Und die richtige Taktik. Schalke wirkte griffig, hatte einen klaren Plan und setzte ihn beim 2:0 (1:0)-Sieg nahezu optimal um.
Mit etwas Abstand beschrieb Tedesco den Start-Erfolg als „Sieg des Willens“. Sich die Lorbeeren ans eigene Revers zu heften, ist nicht sein Ding, auch wenn er in sechswöchiger, mühsamer Detailarbeit mit den S04-Profis auf den „Tag x“ hingearbeitet hatte. Tedesco beorderte mit Bastian Oczipka (Eintracht Frankfurt) und Amine Harit (FC Nantes) zwei Zugänge in die Startelf. Das Gros des Teams, das gegen die schnellen Leipziger Offensivkräfte nur eine nennenswerte Chance zuließ und als Muster-Beispiel für Einsatzfreude, Kampfgeist sowie geschicktes Anlaufverhalten auftrat, hatte sich in der Vorsaison vergeblich um Fortschritte bemüht. Schalke hatte sich im Krebsgang durch die Liga bewegt, einen Schritt vor und zwei zurück gemacht.
Bescheidenheit als Trumpf
Jetzt aber scheint es in die gewünschte Richtung zu gehen: nach vorne. Domenico Tedesco reißt Schalke mit. Seine Art kommt an. Der 31-Jährige, dem manche Kritiker die Bundesliga gar nicht und auch den Umgang mit der Wucht des FC Schalke 04 nicht zugetraut hatten, hat sich seine ersten Sporen verdient. Bundesliga-Premiere als Trainer, gleich der erste Sieg – das nimmt Tedesco keiner. Der Deutsch-Italiener freut sich mehr innerlich, stellt sich nicht in den Vordergrund. Bescheidenheit ist einer seiner Trümpfe. „Wir haben schon einiges von dem sehen können, was wir in der Vorbereitung einstudiert haben“, sagt er und lobt die Spieler: „Sie haben sich den Sieg erarbeitet.“
Weil die Marschroute stimmte. Weil der Plan funktionierte. „Der Trainer“, fasst Sportvorstand Christian Heidel zusammen, „ist sehr authentisch. Wenn er draußen teilweise ein bisschen rumhüpft, dann nicht, weil er irgendjemandem etwas zeigen will, sondern, weil er der zwölfte Mann auf dem Platz ist.“ Der Trainer als Mitglied des Teams. Heidel: „Die Gruppe ist sehr homogen. Domenico ist Teil dieser Gruppe. Das passt einfach. Ich glaube, dass die Spieler sehr oft zu ihm gucken. Und irgendwie verstehen sie es. Sonst hätte es gegen Leipzig nicht so funktioniert.“
Nach dem 1:0, das Nabil Bentaleb per Strafstoß nach Foul von Leipzigs Dayot Upamecano an Franco Di Santo erzielte (43.), legte Yevhen Konoplyanka das 2:0 nach (73.). „Da ist natürlich Ballast abgefallen“, gibt Christian Heidel zu.
„Ergebnisunabhängig agieren" Nach dem Schlusspfiff ging es für Tedesco in die Zusatzschicht. Der Trainer versammelte seine Mannschaft zu einem Besprechungskreis, richtete einige emotionale Worte an seine Jungs, bevor er sie zum Jubeln in den Fanblock entließ. „Domenico hat mir das mit dem Kreis erklärt. Er macht das direkt nach Abpfiff, damit nicht alles auseinanderfällt. Der eine Spieler muss zum ZDF, der andere zum Sky-Interview – und danach sieht er die Jungs nicht mehr. Domenico zieht auf dem Platz sein Fazit und sagt, was wie gewesen ist“, sagt Heidel.
Gegen Leipzig war vieles gut. Aber natürlich noch nicht alles perfekt. Tedesco: „Wir wollen versuchen, ergebnisunabhängig zu agieren. Bei einer 1:0-Führung kann es dazu kommen, dass man das Gefühl hat, etwas zu verlieren. Und genau dazu darf es nicht kommen.“ Diesen Aspekt wird der junge Fußball-Lehrer auch noch mit seinen Spielern thematisieren. Tedesco kann sich gewiss sein, dass jedes seiner Worte aufgesaugt wird. „Für ihn ist es wichtig, dass die Jungs nicht nur nicken – oder sogar einnicken“, sagt Heidel mit einem Lachen. Schalkes Profis sind bei Tedesco hellwach. Weil er alle mitreißt.